Leipzig, den 18. April 2023
Sehr geehrter Herr Staatsminister Gemkow,
sehr geehrte Damen und Herren des Wissenschaftsministeriums,
sehr geehrtes Rektorat der HMT Leipzig,
laut aktuellem Stand ist das mentoringArts Programm (mArts) an der HMT Leipzig bis Ende 2024 befristet. Das Ende dieses Programms würde für die Ausbildung an der HMT einen massiven Verlust wichtiger Inhalte bedeuten. Da wir uns als Studierendenrat in der Verantwortung sehen die Interessen unserer Kommiliton*innen sowie der nachfolgenden Studierenden zu vertreten, wenden wir uns an Sie mit der Forderung, das mArts-Programm an der HMT Leipzig zu entfristen. Die Gründe hierfür führen wir im Folgenden auf.
Direkter Nutzen für Studierende und die Hochschule:
Das mArts Workshop Programm vermittelt einschlägiges berufs- und praxisrelevantes Wissen. Studierende erlernen Fertigkeiten, die unverzichtbar sind, um sich im späteren Berufsleben zurechtzufinden. Im sonstigen Hochschulcurriculum findet dies kaum statt. Das Mentoring umfasst sowohl Gruppenseminare zu berufsspezifischen Themen, als auch 1:1 - Betreuung durch eine*n Mentor*in. So sind Themen möglich, die sich jeweils an das individuelle Profil anpassen. Jeder*m Mentee wird durch ein persönliches Auswahlverfahren eine*n Mentor*in zugeteilt, sodass in Einzelgesprächen eigene Projekte, Erfahrungen, Pläne und Zukunftsentwürfe thematisiert und herausgearbeitet werden können. Dabei profitieren die Mentees in vielfältiger Art und Weise: Die Mentor*innen können durch ihre Erfahrung nicht nur konkrete Hilfestellungen geben, sondern auch wichtige Kontakte vermitteln, auf Stolpersteine und Ungereimtheiten hinweisen oder künstlerische Impulse geben.
Das Studium ist der Zeitraum, in dem realistische Entwürfe einer beruflichen Zukunft geschaffen werden können und müssen. Der Erfahrungsaustausch mit
hochschulexternen, marktvertrauten Mentor*innen hilft dabei, unterschiedliche Wege kennenzulernen, eigene zu entwickeln und konkrete Schritte einzuleiten. Vor allem in Hinblick auf die
Freiberuflichkeit, die die große Mehrheit der Absolvierenden betrifft, ist dieses Wissen existenziell.
Ein weiterer Effekt ist, dass mArts verschiedene Fachrichtungen miteinander verknüpft, da das Programm nicht an einen bestimmten Studiengang gekoppelt ist.
Bei Seminaren und Zusatzangeboten können Studierende verschiedener Fachrichtungen so in Kontakt kommen und ein starkes Netzwerk bilden.
Nachhaltige Plattform für Kulturschaffende:
Über die Inhalte der Mentoring-Gruppenseminare hinaus, finden auf Initiative der Koordinatorin Carmen Thiel und ob der großen Nachfrage seitens der Studierenden und externen Partner*innen der Kultur- und Kreativwirtschaft an der HMT zahlreiche wichtige öffentliche Veranstaltungen und Seminare statt bezüglich Interessenvertretung, Gleichstellung, Lohnstandards, Kulturpolitik und vieles weitere. Frau Thiel hat dem Programm hier ein Netzwerk aufgebaut und bezieht immer wieder wichtige Akteur*innen der Kultur, der Politik und auch der Musikwirtschaft mit ein.
Diese Themen, die aus dem Musiker*innenalltag nicht wegzudenken sind, finden an keiner weiteren Stelle des Curriculums Beachtung. Obwohl die Teilnehmer*innenzahl des mArts-Programms begrenzt ist, ziehen die Themen durch diese Veranstaltungen hochschulweite Kreise. Häufig sind die Zusatzveranstaltungen nicht nur (hochschul-)öffentich zugänglich sind und diejenigen Studierenden, die für die Inhalte sensibilisiert werden, teilen ihr Wissen mit ihren Kolleg*innen.
Angesichts des Status Quo der Kulturlandschaft und ihrer Problematiken wie prekäre Arbeitssituationen, Berufsunsicherheiten, Grundsicherungen, Lohndumping, Machtmissbrauch und Diskriminierung ist eine Sensibilisierung für diese Themen bereits im Studium unabdingbar.
All diese Punkte müssen nicht nur in der Gesellschaft und in der Politik, sondern vor allem auch in der Lehre diskutiert werden. Wir als Studierende erhalten durch mArts Zugang zu diesen Themen, die auch in der Zukunft den Wert des kulturellen und künstlerischen Schaffens bestärken. Wenn sie aus der Hochschule verschwinden, muss sich eine Musikhochschule im 21. Jahrhundert fragen, für welche Werte sie dann noch steht.
Für uns Studierende stellt sich mArts als ein ganzheitliches ergänzendes Angebot heraus, in dem die Bedarfe der Mehrheit und nicht nur der wenigen besonders begabten und herausragenden Studierenden berücksichtigt werden.
Das mArts-Programm an der HMT Leipzig initiiert den nötigen Prozess, einen Abgleich mit unseren Berufsrealitäten zu schaffen. In Kombination mit der ansonsten sehr guten musikalischen Ausbildung sehen wir hierin eine verantwortungsvolle Ausbildungssituation.
Wir fordern daher eine Entfristung des mArts Programm an der HMT Leipzig!
gezeichnet: der Studierendenrat der Hochschule für Musik und Theater Leipzig Felix Mendelssohn-Bartholdy
Unterzeichner*innen
Stand: 15.05.23 um 20:54Uhr
Stimmen aktueller und ehemaliger Mentees:
● An der Musikhochschule geht es fast ausschließlich um künstlerische bzw. fachliche Inhalte, so als ob das Meistern derselben bereits ein Garant für ein ausreichendes Einkommen für Freischaffende wäre. Für viele Studierende, die die Hochschule verlassen, stellt dies ein großes Problem dar. Das mArts Programm der HMT ist in dieser Hinsicht von unschätzbarem Wert, da es all die Bereiche, die im Studium noch zu kurz kommen, abdeckt. Außerdem ermöglicht das 1:1 Mentoring einen besonders intensiven Fokus auf individuell wählbare Inhalte, je nach aktuellen Interessen.
● Durch die in den Workshops vermittelten Inhalte und durch den individuellen Austausch mit den Mentor:innen entwickeln wir Studierenden ein neues Selbstbewusstsein, viel mehr zu können, als uns an der Hochschule vermittelt wird. Wir entdecken neue Berufsperspektiven und setzen neu erlerntes Wissen in die Tat um (Steuererklärung, KSK- und GEMA-Anmeldung, Marketing, Organisation usw.). Wir bauen dadurch Zukunftsängste ab und fühlen uns bereit, mit Eintritt in den Arbeitsmarkt konkret formulierte Ziele erreichen zu können. Dieses Wissen und diese Handlungsanleitungen müssen während des Studiums erlernt werden.
● mArts erhöht durch die Auseinandersetzung mit dem professionellen Mindset die Chancen, künstlerische Visionen auszuleben und Wertschätzung für die künstlerische Arbeit einzufordern. Dieses Mindset ist die Grundlage für eine langjährige Karriere und wird in der Lehre kaum bis gar nicht beachtet.
● mArts motiviert dazu, einen Zukunftsplan zu entwerfen und aktiv anzugehen, anstatt immer weiter zu studieren, aus Angst vor einer ungewissen Zukunft. Es werden unterschiedliche Methoden zur Ziel-, Zeit- und Strukturplanung vermittelt und erprobt, um den Studien- und Lebenserfolg zu befördern.
● mArts öffnet sonst nicht wahrgenommene Netzwerke außerhalb der Hochschule (diverse Interessenverbände, Kulturunternehmen usw.) und schafft den interdisziplinären Austausch unter Studierenden. Der Blick und Schritt aus der Übzelle heraus ist für uns oft herausfordernd, aber notwendig.
● Das Mentoring Programm deckt strukturiert und systematisch alle notwendigen Themen (das ganze Drumherum) ab, die das unternehmerische Handeln künstlerisch Schaffender befördert. Existentielle Not mündet ansonsten in ungewollte Abhängigkeiten.
● Das Curriculum und eine Generation von Lehrenden trägt nicht ausreichend dazu bei, den notwendigen Abgleich mit Berufsrealitäten herzustellen und neue Berufsfelder zu erkunden, was zu großen Verunsicherungen unter uns Studierenden führt. Allein das künstlerische, oder künstlerisch-pädagogische oder musikwissenschaftliche Handwerk reicht nicht aus, um als resiliente Künstler*innen wahrgenommen und wertgeschätzt zu werden. Diese Defizite gleicht das Mentoring-Programm aus, und stärkt und motiviert uns Studierenden, indem wir uns selbst ermächtigen, Entscheidungen zu treffen und Chancen zu ergreifen. Diese können auch gegen das Musikstudium und für eine andere Ausbildung sein, und zwar zu einem für den*die Einzelnen noch guten Zeitpunkt.
Workshop Inhalte:
Künstleridentität, Selbst- und Zeitmanagement, Projektmanagement, unternehmerisches Denken und Handeln, Marketing und Sichtbarkeit, Website erstellen, Steuern und Versicherungen, GEMA, GVL, Urheberrecht, Künstlersozialkasse, Artist Development, Moderation & Bühnenpräsenz, professionelles & strategisches Netzwerken, Verhandlungstrainig & Vertragsrecht, Förderanträge stellen, Musiker*innen-Gesundheit, alternative Konzertformate